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Albtraum der Fußballprofis
Osteitis pubis: Albtraum der Fußballprofis
ÄZ, 23.06.2008 - von Sabine StürmerÜberlastungsreaktion des Schambeinknochens erfordert mehrmonatige Therapie - und viel Geduld
Kaum eine Verletzung fürchten Fußballer wie Ballack & Co mehr als die Schambeinentzündung. Denn die Überlastungsreaktion des Schambeinknochens erfordert eine mehrmonatige Therapie und damit viel Geduld. Bleibt die konservative Behandlung erfolglos, kommen Operationen in Betracht.
Optimales Training sowie physiotherapeutische und medizinische Maßnahmen können die Gefahr der Osteitis pubis minimieren. Verletzungen wie Knochenbrüche, Bänder- oder Sehnenrisse haben den "Vorteil", dass sie sofort erkannt werden, sich operieren lassen und ihre Regenerationszeit klar eingegrenzt werden kann. Die Osteitis pubis entwickelt sich dagegen schleichend, wird oft erst spät erkannt und kann Profisportler mehrere Monate außer Gefecht setzen, denn die entzündete Knochenhaut am Schambein verursacht nicht nur starke Schmerzen, sondern benötigt auch eine langwierige Therapie.
Mit Mikroverletzungen am Schambein beginnt die Osteitis
Am Schambein hängen viele Bänder und Muskeln - einige ihrer Ansatzstellen sind gerade mal so dick wie eine Bleistiftmine. Die Kräfte, die gerade an so dünnen Ansatzstellen zerren, sind enorm bei Sportarten wie Fußball mit seinen abrupten Bewegungen, schnellen Richtungs- und Tempowechseln oder dem Treten gegen den Ball. Sind die Ansatzstellen diesen Belastungen nicht gewachsen, können Mikroverletzungen entstehen, die von den Spielern aber zunächst nicht wahrgenommen werden. Erst nach längerer Zeit entwickelt sich durch die ständige Reizung die Osteitis pubis.
Physiotherapien können die Heilung beschleunigen
Bei Osteitis pubis sollte in erster Linie konservativ behandelt werden. Medikamentös haben sich Antiphlogistika bewährt. Diese können durch eine orale Kortikosteroid-Therapie ergänzt werden. "Physikalische und krankengymnastische Maßnahmen beschleunigen den Heilungsverlauf und machen den Spieler schneller wieder fit," so der Sportmediziner Dr. Sascha Hopp im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". Wichtig dabei sind Ultraschallbehandlung, Kryo- und Elektrotherapie sowie Krankengymnastik, bei der die Rumpf- und Beckenbodenmuskulatur gekräftigt und die Adduktorenmuskulatur gedehnt werden. Als weitere therapeutische Maßnahme wird die Infiltration der Symphyse mit einem Lokalanästhetikum und Kortikosteroid unter Bildwandlerkontrolle beschrieben. Damit werden je nach Stadium Erfolgsraten bis zu 80 Prozent erzielt.
Schmerzauslösende Bewegungen sollten während der Therapie unbedingt vermieden werden. Eine absolute Ruhigstellung, also Pausierung, sollte allerdings nur in der Akutphase erfolgen und auf ein Minimum begrenzt werden. Hopp empfiehlt, dass Betroffene spätestens nach einer Woche wieder Gleichgewicht und Kraft durch Krankengymnastik trainieren sollten. Ansonsten besteht die Gefahr der Muskelverkürzung und eines Trainingsrückstands, der nur schwer wieder aufzuholen ist.
Generell dauert eine Therapie in der Regel mehrere Monate und erfordert große Geduld vom Sportler, Trainer und Physiotherapeuten. Hopp warnt vor einem verfrühten Spieleinsatz. Diese Gefahr besteht, da unter der Therapie die Schmerzen schnell nachlassen und so eine Heilung vorgegaukelt wird.
Erst, wenn alle medikamentösen, physikalischen und physiotherapeutischen Ansätze ausgereizt sind, kommt eine Operation in Betracht. Bei der Kurettage wird das durch die Entzündung veränderte und empfindliche Gewebe im Bereich der Symphyse ausgeschabt. Diese Maßnahme führt bei Leistungssportlern zu guten und dauerhaften Resultaten. Wenn auch die Kurettage keinen befriedigenden Erfolg bringt, wird die Symphyse versteift. Dies geschieht mit einem Knochenspan aus dem Beckenkamm, der mittels Platte in der Symphyse fixiert wird. "Wenn diese Platte durchbaut ist, sind die Patienten im vorderen Beckenring stabil und vor allem schmerzfrei," erläutert Hopp. Allerdings stellt diese Op einen großen Eingriff dar, sodass sie wirklich nur als Ultima Ratio bei therapieresistenten Patienten in Erwägung gezogen werden sollte.
Die Prävention einer Osteitis pubis ist möglich
Durch präventive Maßnahmen können Sportler das Risiko einer Osteitis pubis reduzieren. Dazu gehören etwa adäquates Aufwärmen, Verbesserung der sportlichen Technik und medizinische Maßnahmen wie Dehnungsübungen der Adduktoren, Aufbau - und Stabilisierungstraining für die Bauch- und Rumpfmuskulatur. Diese Maßnahmen sollten konsequent angewendet werden, auch wenn sie vom Sportler oft als "unbequem" bewertet werden.
Fußball-Fans können allerdings darauf hoffen, dass die deutsche National-Elf hier einsichtig ist. Und das nicht nur deshalb, weil Mannschaftskapitän Michael Ballack nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" im Frühjahr 2006 selbst an einer Osteitis pubis gelitten hat - und deshalb vermutlich bei ihrer Prävention mit gutem Beispiel vorangehen wird. Ballacks im Viertelfinalspiel gegen Portugal einmal mehr unter Beweis gestellte Top-Form ist ein Indiz dafür, dass er seine Osteitis überwunden hat und vollständig genesen ist. Fußball-Fans hoffen, dass er im Halbfinalspiel am Mittwoch in Basel erneut eine Super-Leistung bringt.
Stichwort Osteitis pubis
Mit spezifischen Tests und spezieller Bildgebung wird die Osteitis pubis diagnostiziert, wie Dr. Sascha Hopp aus Homburg/Saar berichtet (Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin 59, 4, 2008, 100). Dabei müssen zunächst andere Erkrankungen ausgeschlossen werden, denn die Patienten leiden häufig unter Schmerzen, die in die Leiste, Hüfte und obere Abdominalregion ausstrahlen. Notwendig sind deshalb ausführliche klinische und radiologische Untersuchungen, Szintigrafie und MRT. Bei der Bildgebung spielt die Aufnahme des rechts- und linksseitigen Einbeinstands eine wichtige Rolle. "Bei einer sogenannten Flamingo-Aufnahme klafft die Symphyse normalerweise etwa zwei Millimeter auseinander," so Hopp. "Liegt eine Osteitis pubis vor, ist die Symphyse durch die Entzündung instabil und klafft stärker auseinander." Um die Diagnose weiter abzusichern, kann ein Lokalanästhetikum in die Symphyse infiltriert werden. Tritt Schmerzfreiheit ein, liegt ein weiteres Indiz für die Osteitis pubis vor.
vom 02.07.2008
Methodik und Ergebnisse der LWS-Prothesen
SWISSspine
Erstes orthopädisches HTA-Register
Methodik und Ergebnisse der LWS-Prothesen
Universimed.de
Die Fusion ist ein ca. 50 Jahre altes Verfahren um degenerative Wirbelsäulenerkrankungen zu behandeln, und gilt bis heute als ein Goldstandard.1 Die fusionsassoziierte verminderte Beweglichkeit wird jedoch als Ursache für eine beschleunigte Degeneration benachbarter Segmente angesehen. Die dynamische Stabilisierung hat sich über Jahrzehnte zu einer Alternative mit ähnlichem Potenzial in der Schmerzreduktion und theoretischen Vorteilen bezüglich Beweglichkeitserhalt des betroffenen Segmentes entwickelt.1-4
Die Kosten-Nutzen-Frage steht jedoch in der Orthopädie immer mehr zur Debatte, da es nicht um die Rettung von Menschenleben, sondern um die Lebensqualität der Patienten geht. In der spinalen Chirurgie fehlen wissenschaftliche Nachweise für die Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit vieler neuer Verfahren. Daher wird von Meinungsmachern eine generell vorsichtigere Annahme und Verbreitung neuer Technologien gefordert.5 Dieser Denkrichtung folgend hat das schweizerische Bundesamt für Gesundheit im Jahr 2005 ein nationales HTA-Register (Health Technology Assessment) für Bandscheibenprothesen und Ballonkyphoplastie angeregt, um eine Evidenzgrundlage für die abschliessende Entscheidung über die Kostenübernahme dieser Verfahren durch die allgemeine Krankenversicherung treffen zu können.
Entstehung und Methodik
Eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Industrie, der Schweizer Gesellschaft für spinale Chirurgie (SGS) und des Institutes für evaluative Forschung in orthopädischer Chirurgie (IEFO) erarbeitete SWISSspine, das erste orthopädische HTA-Register in der Schweiz. Ziel war die Implementierung eines Medizinprodukteregisters zur Bereitstellung von Evidenz über die Sicherheit und Effizienz der Bandscheibenprothetik und Kyphoplastie unter klinischen Bedingungen.
Folgende Dokumentationsbögen bilden den obligatorischen SWISSspine-Register-Datensatz: Operationsbogen (Arzt), Implantatbogen (Barcodekleber), Nachuntersuchungsbogen (Arzt), EuroQol-5D (allgemeine Lebensqualität Patient), NASS/COSS-Bogen (krankheitsspezifische Lebensqualität LWS/HWS-Patient), Begleiterkrankungen (Patient), zweifache Einverständniserklärung und Informationsblatt (Patient). Die Primärbögen und Implantatbögen werden durch den Chirurgen im Zuge der Operation ausgefüllt. Der Patient muss sein Einverständnis über die Teilnahme am Register erklären und den EQ-5D, den NASS/COSS und den Begleiterkrankungsfragebogen ausfüllen. Ähnliches geschieht während der Nachuntersuchungen. Die teilnehmenden Chirurgen verpflichten sich bei der Zertifizierung durch die SGS, jede Operation und die vorgeschriebenen Nachuntersuchungen im SWISSspine-Register zu dokumentieren. Durch Abgleich mit den Verkaufszahlen der Industriepartner können die Dokumentationsquoten errechnet werden. Das Register wurde auf der Online-Plattform des IEFO unter www.memdoc.org in den drei Landessprachen implementiert.
Studiencharakteristik
Bis März 2008, 36 Monate nach Registerstart, wurden 427 Patienten mit 497 LWS-Prothesen dokumentiert; 241 weibliche (56,4%) und 186 männliche (43,6%) Patienten mit einem Durchschnittsalter von 41 und 43,4 Jahren. 896 Nachuntersuchungsbögen von 11 bis 915 Tagen (ca. 2,5 Jahre) postoperativ wurden erhoben. Daneben sind 1.253 (360 präoperative, 893 postoperative) EQ-5D und 1.242 (365 präop, 877 postop) NASS-Bögen sowie 342 Komorbiditätserhebungen in der Datenbank.
Ergebnisse
Der präoperative durchschnittliche Rückenschmerz betrug 70,7 Punkte auf der VAS des NASS. 3 Monate nach der Operation wurde der Wert auf 30,7 Punkte reduziert und stieg in der Einjahresnachuntersuchung auf 32 Punkte (p<0,0001). Der durchschnittliche präoperative Beinschmerz betrug 54,7 Punkte, 3 Monate postoperativ noch 23,8 Punkte und nach einem Jahr 20,7 Punkte (p<0,0001).
Der Anteil der Patienten, die keinerlei Schmerzmedikation brauchten, stieg signifikant von 2,5% auf 65,6% nach 3 Monaten und 61,8% nach einem Jahr (p<0,0001). Die Verminderung der NSAIR-konsumierenden Patienten sank von 69,6% vor der Operation auf 28,8% und 29,4% nach 3 bzw. 12 Monaten (p<0,0001). Morphine und Morphinderivate wurden von 28% der Patienten vor der Operation eingenommen. Dieser Prozentsatz sank auf 5,6% in der Nachuntersuchung nach 3 Monaten und stieg auf 8,8% nach einem Jahr an (p<0,0001). Der präoperative mediane Lordosewinkel war 48°. Nach 3 Monaten betrug der Winkel 50° und nach einem Jahr 54°. Der durchschnittliche Wert für segmentale Inklination/Reklination bei monosegmentalen Eingriffen in der Einjahresuntersuchung war 12°/19°. Bei den bisegmentalen Eingriffen betrugen die Winkel 15,5°/23,5° im kranialen und 19°/22° im kaudalen Segment. Der EQ-5D-Wert variiert zwischen 1 (bestvorstellbare Lebensqualität) und -0,6 (Lebensqualität schlechter als Tod). Der präoperative EQ-5D-Wert von 0,32 verbesserte sich auf 0,72 Punkte nach 3 Monaten und weiter auf 0,73 Punkte nach 12 Monaten (p<0,0001).
Bei den insgesamt 357 unisegmentalen Eingriffen wurden 14 intraoperative Komplikationen und 7 Revisionen dokumentiert. Die 70 bisegmentalen Eingriffe zeigten 5 Komplikationen und 3 Revisionen. Die mittlere Aufenthaltsdauer der Patienten mit einer mono-segmentalen Operation war 7,8 Tage, die der Patienten mit bisegmentalen Operationen 8,3 Tage.
Diskussion
Das SWISSspine-Register ist das erste nationale Projekt seiner Art und kann mittlerweile als ein erfolgreiches Unternehmen seit seiner Einführung im Jahr 2005 gesehen werden. Die Zusammenarbeit aller Beteiligten unter dem Mandat des Schweizer Bundesamtes für Gesundheit war und ist bis dato von erfreulicher Transparenz und Konstruktivität geprägt. In kurzer Zeit wurde eine relativ hohe Anzahl von Beobachtungsdatensätzen gesammelt. Die Hauptaufgaben der Studie, Nachweis der Effektivität, Sicherheit und Kosteneffizienz der Arthroplastie, wurden erfüllt und eine Basis für Langzeitdatensammlungen und Analysen geschaffen. Die vorläufigen Ergebnisse, welche dem BAG für die eidgenössische Leistungskommission (ELK) im Juni 2007 vorgelegt werden konnten, führten zu einer Verlängerung der Deckung der Bandscheibenprothetik durch die Grundversicherung mit weiterer Auflage der Dokumentation im SWISSspine-Register. Diese Entscheidung wird Ende 2008 mit neuen Daten nochmals überprüft. Die Ballonkyphoplastie ist dagegen unter Auflage weitergeführter Dokumentation in den Grundversicherungskatalog aufgenommen worden.
Folgerung und Ausblick
Die Auswertung des SWISSspine-Registers zeigt, dass die lumbale Bandscheibenprothetik eine Alternative zur Fusion in Bezug auf Schmerzreduktion von Rücken und Bein sowie Verbesserung der Beweglichkeit der Wirbelsäule ist. Damit sind eine Verbesserung der Lebensqualität, verminderter Medikamentenkonsum und eine geringe Komplikations- bzw. Revisionsrate verbunden. Langzeitergebnisse hinsichtlich Degeneration angrenzender Segmente müssen noch abgewartet werden. Das Register kann als Basis für weiterführende Datensammlungs- und Evaluationsprojekte im Schweizer Gesundheitswesen betrachtet werden. Es kann ausserdem als ein Modell für vergleichbare Studienansätze in anderen Ländern oder anderen Bereichen des Gesundheitswesens gesehen werden. Als nächste Kandidaten in der Orthopädie werden interspinöse Spacer und posteriore dynamische Stabilisationsverfahren mit Pedikelschrauben ins Register aufgenommen.
Literatur:
1 Errico T J: Lumbar disc arthroplasty. Clin Orthop Relat Res 2005; 435: 106-17
2 Mayer H M: Total lumbar disc replacement. J Bone Joint Surg Br 2005; 87(8): 1029-37
3 Schulte T L et al: Lumbar disc arthroplasty. Estab-lished technique or experimental procedure? Orthopäde 2005; 34(8): 801-13
4 Baur-Melnyk A, Birkenmaier C, and Reiser M F: Lumbar disc arthroplasty: indications, biomechanics, types, and radiological criteria. Radiologe 2006; 46(9): 768, 770-8
5 Deyo RA, Nachemson A, and Mirza SK: Spinal-fusion surgery - the case for restraint. N Engl J Med 2004; 350(7): 722-6
Autor:
C. Röder1, 2, E. Schluessmann1, E. Aghayev1, P. Moulin3, M. Aebi1
- Institut für Evaluative Forschung in Orthopädischer Chirurgie, Universität Bern
- Abtlg. für Wirbelsäulenchirurgie, Inselspital Bern
- Schweizer Paraplegikerzentrum, Nottwil, Schweiz
Korrespondierender Autor: Dr. med. Christoph Röder, MPH, Wissenschaftlicher Oberassistent, MEM Forschungszentrum für Orthopädie, Institut für Evaluative Forschung in Orthopädischer Chirurgie, Universität Bern, Stauffacherstrasse 78, 3014 Bern, E-Mail: christoph.roeder@memcenter.unibe.ch
vom 02.07.2008